Spaß, Freiheit, Jeep
Adventure Motors: Heike Rosenthal, Isak Azemaj
Wenn Heike Rosenthal von Adventure Motors aus Bielefeld anfängt zu erzählen, wird es spannend – und häufig höchst amüsant. Da ist zum Beispiel der 60-Jährige, der sich endlich seinen Jugendtraum erfüllen will. Die Kinder sind versorgt – und notfalls wird seine Frau halt nur auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Da ist der vermögende Geschäftsmann, der sich am Wochenende im Sand und im Matsch austobt und am frühen Montagmorgen in Begleitung seines Chauffeurs das völlig verdreckte Gefährt zur Grundreinigung bringt. Oder der Bankier, der das feuerrote 3,8-Liter-Motor-Geschoss am Ferienhaus in Marbella parken will. Und da ist die kesse 20-Jährige, die als Belohnung für das Super-Abi einen strahlend weißen Cherokee vom Hof fährt, gebraucht natürlich. Ein Auto, das alle fahren, wollte sie nicht.
Auf der Suche nach dem „American way of life“
Wer bei Adventure Motors an der Brockhagener Straße 132 in Bielefeld landet, weiß in der Regel genau, was er will – mehr als 95 Prozent der Käufer sind Männer. Sie alle suchen einen gebrauchten Jeep – und damit ein Auto, das Emotionen auslöst. Ein Fahrzeug, das Spaß und Freiheit verspricht, den „american way of life“. „Das ist kein Auto, das man braucht“, erklärt Mit-Inhaber Isak Azemaj (39), der schon als junger Mann im Vorgängergeschäft landete und dort zum Kfz-Mechaniker ausgebildet wurde. Heute kümmert er sich mit zwei Mechanikern um die Werkstatt, um den Jeep-Ankauf, den Verkauf und die Beratung der Kunden, die aus ganz Deutschland und aus dem nahen europäischen Ausland kommen, darunter viele Niederländer.
Seine Geschäftspartnerin Heike Rosenthal (58) managt als Kauffrau die Finanzgeschäfte und agiert im Verkauf. Ihre Tochter, die an der Fachhochschule Bielefeld studiert, unterstützt das 4-köpfige Team wann immer es geht – und das heißt auch abends und am Wochenende. Dann kommen die Kunden, die am Samstagmorgen Richtung Bielefeld gestartet sind und teilweise eine stundenlange Anfahrt hinter sich haben. Manche werden vom Bahnhof abgeholt, alle wollen ausgiebige Beratungsgespräche rund um den begehrten Wagen.
„Wir zahlen einen hohen Preis“, beschreibt Isak Azemaj den Nachteil der Selbstständigkeit, die nur wenig Raum für Freizeit lässt. Er selbst fährt 60.000 bis 80.000 Kilometer pro Jahr durch ganz Europa, um Autos zu beschaffen. „Aber das wussten wir ja! Und die Belohnung ist ebenfalls hoch. Wir sind unsere eigenen Chefs – und haben unsere Leidenschaft zum Beruf gemacht.“
Diese Leidenschaft, die jahrelange Erfahrung und die hohe Professionalität im auf Jeeps spezialisierten Gebrauchtwagenhandel mit Werkstatt hatte auch Tanja Siepke vom GründerCenter der Sparkasse Bielefeld überzeugt. Sie sprach ausgiebig mit den Gründern, holte Kreditangebote ein, betreute die aufwändige Erstellung des Businessplans. Heike Rosenthal wiederum war beeindruckt von der professionellen Unterstützung bei den vielen finanziellen und rechtlichen Fragen. Sie hat die Beratung als sehr engagiert und persönlich empfunden. Mit Unterstützung von Tanja Siepke erzielte ihr Businessplan Pluspunkte für KfW Mittel und einen Kredit.
Im September 2017 ging Adventure Motors GmbH am bekannten Standort an der Brockhagener Straße an den Start. Das Unternehmen kauft europaweit gebrauchte Jeeps und andere amerikanische Fahrzeuge, bereitet sie auf und stellt sie zum Verkauf. Häufig stehen die Fahrzeuge nur wenige Tage auf dem Firmengelände, der schnelle Umschlag ist das Erfolgsrezept.
Viele Fans – wenige Spezialisten
Es gibt nur eine Handvoll Spezialisten in Deutschland, dafür viele Fans von Jeeps – und das Internet. Die Möglichkeit, frische Angebote attraktiv auf der Website zu präsentieren, sorgt für hohe Zugriffszahlen. Die potenziellen Käufer kommen zur verabredeten Zeit, nutzen Probefahrten, führen ausgiebige Fachgespräche – und nehmen das Fahrzeug oft sofort mit. Oder sie geben Umbauten, Aufbauten, Tuning und Veredelung oder spezielle Ausstattungen in Auftrag. Wie zum Beispiel den Dachgepäckträger fürs Zelt, damit endlich die lange geplante Reise in den Süden starten kann.
Viele Kunden lieben die alten Jeeps mit unkomplizierter Technik, weil sie noch selbst daran rumschrauben können. Sie genießen Wochenendausfahrten oder starten zu längeren Urlaubsreisen. Sie fahren individuelle Strecken oder sind bei geführten Touren in der Gruppe unterwegs – beliebt ist etwa die Alpenüberquerung. In den Niederlanden gibt es Strandausfahrten, bundesweit sind Offroadparks das Ziel von begeisterten Wochenendausflüglern, viele davon ehemalige Motorradfahrer. Dieses Wochenendgeschäft betreiben auch Isak Azemaj und Heike Rosenthal. Sie ist oft die einzige Frau, wenn sich samstags eine Gruppe von Jeep-Begeisterten bei Adventure Motors trifft und dann zu einem Tagesausflug startet – auf ehemalige Militärgelände oder in stillgelegte Sandgruben. Fotos, die spät abends auf der Facebook-Seite stehen, werden schnell von Hunderten geliked.
Heike Rosenthal kann auch beurteilen, was die Unterschiede zwischen Deutschland und den USA sind. Von 1996 bis 2006 hat sie mit Mann und zwei Kindern in Nordamerika gelebt und in der Zeit reichlich Gelegenheit gehabt, die Unterschiede in den Märkten zu studieren: „In den USA gibt es keinen TÜV. Da wird einfach dran- und aufgebaut, was gefällt. Die Szene ist viel verrückter als in Deutschland. Und auch viel mehr Frauen fahren Jeeps, häufig 4-Türer, wegen der Kinder. Die Großmutter, die bei uns in Bielefeld neulich einen Jeep Compass mit Pferdeanhänger für Westernpferde gekauft hat, ist schon die absolute Ausnahme.“ Aber es gibt diese Ausnahmen – und damit verbunden die vielen Geschichten, die die Unternehmerin erzählen kann.
Die Umweltdiskussion ist an der Szene bislang eher vorbei gegangen – 12 bis 16 Liter pro 100 Kilometer sind bei den großen Motoren keine Seltenheit, manche brauchen sogar deutlich mehr. Die meisten Kunden haben ein „vernünftiges“ Auto für den Alltagsgebrauch, der Jeep kommt nur am Wochenende auf die Straße. Isak Azemaj hält das unterm Strich für vertretbar: „Wer so ein Auto genießen und Spaß haben will, weiß schon genau, was er tut. Und wägt ab, was er der Umwelt zumuten kann.“